Vernissage

Ganze 37 Jahre ist es mitlerweile her, dass sich die Türen des Kulturzentrums Hardtberg zum ersten Mal den Besucher:innen der jährlichen Ausstellung des Zentralen Kunst LKs öffneten. Viele Künstler:innen stellten seitdem Gemälde, Skulpturen oder Plastiken in allen möglichen Formen und Farben aus und hatten die Möglichkeit ihre Arbeit im freundlichen Licht des an der Decke throndenden rustikalen Kronleuchters zu inszenieren.Doch eine Ausstellung wie die der Q2 am 14.01 hat wohl selbst Herr Körner, Repräsentant und langjähriger Unterstützer dieses Projekts, noch nicht gesehen. Denn womit niemand gerechnet hat: Die jungen Künstler:innen laden alle Anwesenden ein selbst Teil der Ausstellung zu werden! Durchaus eine kleine Herausforderung an einem so grau verschneiten Vormittag;)Gnadenlos motivieren die elf Austeller:innen des Helmholtz und Hardtberg Gymnasiums uns die sonntägliche Trägheit abzuschütteln und selbst aktiv zu werden. Egal ob die Verwandlung in One-Minute sculptures, Aufhübschung von Tintenkleksen oder das verlockende Kuchenbuffet… Passives Betrachten ist hier nicht angesagt! Für die richtige muslikalische Einstimmung wird von Herr Detzer und der Band gesorgt. Drei Stücke, darunter auch Frank Sinatras „Fly me to the moon“ aktivieren zum Auftakt der Vernissage den ein oder anderen nickenden Kopf, ganz zu schweige von im Takt wippenden Füßen. Untermalt durch die letzten verklingenden Töne des Klaviers kann der Rundgang nun beginnen.

Die frisch vereidigte Schulleiterin des HHGs begrüßt alle Besucher:innen herzlich. Dies sei erst ihre zweite Vernissage gibt sie zu, davor war das Projekt leider aufgrund der Pandemie pausiert worden.

Auch die Band zeigt vollen Einsatz. Anna (Bild Mitte) ist sogar als Doppeltalent, sowohl musikalisch als auch künstlerisch dabei.

Die Schüler:innen beweisen auch ihre modulatorischen Fähigkeiten. Einzeln werden wir in die über die letzten eineinhalb Jahre entstandenen Projekte in Kenntnis gesetzt. Wobei Issmaeel im Rahmen des IB Programms seine eigene Reihe an Werken mit dem Thema „from the past, over the present to the future“ vorstellt.

„Me, Myself and I“ ist das erste Projekt dem sich die Künstler:innen zu Beginn der Q1 stellen mussten. Dabei war die Wahl des Materials und der angewandten Technik ihnen freigestellt. Es ging darum über sich selbst einen Zugang zur Kunst, aber im Umkehrschluss vielleicht auch über die Kunst ein tieferes Verständnis für sich selbst zu finden. Das Ergebnis sind ausdrucksstarke Selbstporträts, die alle auf ihre eigene Weise die Gefühle, Persönlichkeiten und Wahrnehmungswelten ihrer Schöpferinnen widerspiegeln. So wählte z.B. Olga drei Momente aus ihrer Kindheit, die sie mit größter Kunstfertigkeit per Pinsel auf der Leinwand einfing. Die dreiteilige Reihe spielt auf den Projekttitel an und zeigt die verschiedenen Facetten der Künstlerin indem sie Olga in drei verschiedenen Abschnitten ihrer Kindheit zeigt. Auch Amelie fordert sich mit diesem Thema heraus. Im Interview verrät die Nachwuchskünstlerin, dass es sich bei diesem Werk um ihren ersten Versuch an Aquarellmalerei handelt. Dieses Medium habe sich besonders guttun die Vision geeignet die ihr vorschwebte. Während die Linien auf der rechten Seite des Bildes klar und differenzierbar das Gesicht der Künstlerin formen, verschwimmen die wasserlöslichen Farben graduell und verzerren dadurch ihre Züge in eine überdehnte Visage. Das Verlaufen der Farbe, die sich über das Aquarellpapier ergießt, erzeugt sowohl ein Gefühl der Dissoziation als auch der Fluidität. Implizierend, dass das Selbst genauso wie die Farbe gar nicht so gefestigt ist wie sie vielleicht im Wasserfarbmalkasten wirkt. Auch bei Leonie produzierte diese Einheit eine Reihe. Vier atemberaubende naturalistische Zeichnungen zeigen die Künstlerin von ihren verletzlichsten und gleichzeitig unglaublich starken Seiten. Die starken Kontraste zwischen rot, weiß und schwarz machen die Serie zu einem der absoluten Hingucker der Ausstellung. Wobei auch der intensive Blick auf Bild zwei den/die Betrachter:in komplett in seinen Bann zieht.

Bei diesen Acrylgemälden ging es darum drei oder mehr Sprichwörter in einem Bild zu vereinen. Inspiriert wurde die Aufgabe vom niederländischen Künstler Pieter Bruegel, der unter anderem für sein Bild „die Sprichwörter“ bekannt ist. Das 1559 entstandene Ölgemälde enthält über 100 niederländische Sprichwörter. Ganze 465 Jahre später gibt es jetzt endlich eine deutsche Version dieser Idee! Könnt ihr alle Sprichwörter erkennen, die sich in den Werken verbergen?

Chiara: Das Schicksal mischt die Karten, Wolf im Schafspelz, Einen Kater haben, Geld regiert die Welt, Gegensätze ziehen sich an, Ein Ass im Ärmel haben

Amelie: Wer schön sein will muss leiden, Ein Auge auf jemanden gerichtet haben

Leonie: Liebe geht durch den Magen, Stille Wasser sind tief, Blut ist dicker als Wasser

Olga: Jeder Topf hat einen Deckel, Spagetti auf den Ohren haben, Alles durch die Rosarote Brille sehen

Zurückhaltung im Bezug auf das Groteske ist den Künstlerinnen anscheinend kein Begriff. Für die Aufgabe „Perspektivtheater“ (an die sich aufmerksame Leser:innen von Hermanndigital vielleicht noch von letztem Jahr erinnern ;D) kreieren sie einen Raum aus mindestens 4 Ebenen. Es werden plastische Elemente integriert, Stofflichkeit durch verschiede Materialien erschaffen und unterschiedliche Methoden wie z.B. Stempeln oder das kleinschrittige Ausschneiden und Aufkleben von Papierschnipseln ausprobiert. Die Partner arbeiten beschäftigen sich mit der Vorstellung des Kannibalismus und werden jeweils durch den Comic „Eating out“ und das Poster im Filmstil „Swallowed secrets“ ergänzt. Genaues Hinschauen in diese kleinen Welten lohnt sich auf jeden Fall, raffinierte Details verstecken sich nämlich in jeder Nische des Kartons.

Interaktiv wird es schließlich bei der Aufgabe „Body Extension“, die das Zentrum der Ausstellung bildet. Die Besucher:innen sind nämlich eingeladen mit fünf der insgesamt sieben kreiierten Werke zu verschmelzen (zwei sind aufgrund ihrer zarten Natur als Exponate aufgehängt) und somit Teil der künstlerischen Vision zu werden. Von Pappe und Alufolie über Eierkartons und Schläuchen bis hin zu einer Satelitenschüssel ziehen die Schüler:innen der Q2 alle Register um eine Erweiterung des menschlichen Körpers zu erzschaffen. Dabei könnten die jeweiligen Ziele dieser „body extensions“ nicht unterschiedlicher sein. Während einge Exoskelette den Träger beschützen oder ihm sogar beim schärfen der Sinne helfen sollen, ist das Werk „Phobos“ (Bedeutung: irrationale Angst) von Amelie darauf ausgelegt das Gefühl einer Panikattacke zu simulieren und das Ausmaß einer solchen Erfahrung widerzuspiegeln. Die Enge im Brustkorb, die viele Menschen während eines solchen plötzlichen Angstanfalls beschreiben, wird durch die Schläuche, die sich wie ein Käfig um den Oberkörper seiner Trägerin winden erzeugt. Das Blut stockt und gefriert förmlich vor Furcht und scheint en massenaus dem Körper herauszuströmen.

Das Konzept der „One Minute Sculpture“ wurde vom österreichischen Künstler Erwin Wurm ausgeklügelt. Mithilfe von gegebenen Objekten, wie Obst, Stiften oder Kartons und kurzen (häufig durch Skizzen begleiteten) Anweisungen wird der/die Besucher:in eingeladen eine kurzlebige Skulptur zu realisieren. Durch die teilweise Balance und Kraft erfordernden Posen verschwimmt die Grenze zwischen Subjekt und Objekt und das gegebene Material erscheint zweckentfremdet in einem anderen Licht. Dieser Teil der Ausstellung bildet fügt der Ausstellung eine neue Nuance bei. Das Wort „Inter“ im Namen der Vernissage, welches auf Latein so viel wie „zwischen“ oder „in … drin“ bedeutet, wird somit durch die Verschmelzung zwischen Kunst und Mensch realisiert. Die Grenzen, die wir aus vielen Museen kennen, seien sie in der Form von Panzerglas oder rügenden Museumswertern, werden komplett aufgehoben.

Besonderes Gefallen finden große und kleine Besucher:innen an der von Sarah betreuten Station „Tintenklekse“. Egal ob Nachwuchs- Picasso oder das-letzte-Mal-im-Kindergarten-gezeichnet, hier ist jede und jeder eingeladen die liebevoll „Blobs“ genannten Farbklekse in etwas figürliches zu verwandeln. „Jede:r kann Kunst!“ ist die Message der kleinen Ecke innerhalb der Ausstellung und mit ihrer ermutigenden Art motiviert die Schülerin der Q2 fast alle Anwesenden sich durch eine kleine Kritzelei zu verewigen. Und wenn man sich die Ergebnisse so anschaut sind diese doch fast schon wieder eine zweite Vernissage Wert ;D

Unglaublich aber war! Diese Maske hat als ein einzelner Würfel angefangen. Im Interview verrät Issmaael, dass über 40 Stunden Arbeit am Computer nötig waren um die Form der Maske zu rendern. Dieses Werk orientiert sich am Vorbild der japanischen Oni-Masken, welche einen großen kulturellen Wert im Land der aufgehenden Sonne haben. Oni-Masken sind am häufigsten während des Setsubun-Festivals zu Darbietungen an Schreinen getragen. Gerne tragen sie Eltern sogar zu Hause, um ihre Kinder zu erschrecken. Die Maskenkultur in Japan geht auf die Jomon-Periode zurück, eine Ära, die von 10.000 v. Chr. bis 300 v. Chr. dauerte. Somit ist dieses Werk definitiv geeignet um als Issmaaels Brücke zur Vergangenheit zu dienen. Wie jedes Jahr begeisterte die Vernissage durch das schiere Können der Aussteller:innen. Doch darüber hinaus regte sie auch zum Nachdenken an. Sind unsere Modelle von Ausstellungen und Museen vielleicht altbacken und verstaubt, sollte Kunst uns vielleicht eher Beflügeln und Mitreißen, anstatt und nur Ehrfurcht vor den alten Meistern zu lehren? Diese Fragen geistern noch durch den Raum während der Zauber nach ca. 3 Stunden Ausstellung schon wieder vorbei ist. Aber keine Sorge! Die Werke der Q2 werden weiterhin im Schulgebäude ausgestellt werden, lasst euch also die Chance nicht entgehen die Werke unsere Nachwuchskünstler:innen zu betrachten, bevor ihr dafür irgendwann Eintritt bezahlen müsst.

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