Unser Haus brennt schon!

Ein Weckruf an die Regierung, die Welt und dich

Bild von Peter H auf Pixabay

Stell dir vor, es wäre mitten in der Nacht. Du schläfst tief und fest. Wahrscheinlich hattest du einen langen, harten Tag in der Schule, warst danach vielleicht noch jobben oder beim Sport. Du bist fix und fertig und es ist wirklich kein Wunder, dass du friedlich vor dich hin schlummerst. Plötzlich fängt es irgendwo in deinem Wohnhaus an zu brennen. Schon seit einigen Minuten piepst der Feueralarm nun laut. Doch dich erreicht dieser Tumult nicht. Wenn du bald nicht aufwachst, könnte es wirklich brenzlig werden, denn das Feuer breitet sich rasend schnell aus. Da tritt auf einmal jemand die Tür ein und rüttelt dich aus deinen Träumen. Im ersten Moment bist du unglaublich genervt, „Was soll das denn?!“, empörst du dich. Doch dann informiert man dich über den Brand, über die Gefahr. Wirfst du deine:r Retter:in jetzt immer noch vor, deinen Schlaf geraubt zu haben? Vermutlich nicht, wahrscheinlich folgst du ihm/ihr lieber aus dem Haus, alarmierst die Feuerwehr und versuchst den Schaden so weit wie möglich einzudämmen.

Genau in dieser Situation befinden wir uns gerade. Nur, dass nicht nur unser Haus, sondern unser ganzes Zuhause brennt, unser blauer Planet. Wissenschaftler reden von einer drohenden neuen Heißzeit. Längst ist man sich einig, dass das Wort Klimawandel der Situation nicht mehr gerecht wird, stattdessen befinden wir uns schon in einer Klimakatastrophe, die globale Wellen schlägt. Der WHO zufolge starben dieses Jahr mindestens 15000 Menschen in Europa an den Folgen der extremen Hitze, allein in Deutschland verzeichnen wir 4500 Hitzetote [1]. 2021 kam es vom 12. bis zum 15. Juli 2021 zu extremen Niederschlägen, die zu Überschwemmungen wie der im Ahrtal führten. 240 Menschen verloren dabei ihr Leben, die Sachschäden belaufen sich auf mehr als 43 Milliarden US Dollar. In Zentralfrankreich kam es letztes Frühjahr zu überraschenden Kältewellen, denen 80% der Ernte zum Opfer fielen [2]. Längst ist der Klimawandel auch bei uns angekommen.

Alarm Nr. 1 : Unsere Ziele

Dennoch fällt es schwer, die Maßnahmen einzuleiten, die es bräuchte, um wenigstens das Pariser Abkommen von 2015 zu einzuhalten. „Mit einem ‚Weiter so‘ werden wir die Klimaziele für das Jahr 2030 definitiv nicht erreichen“, warnt Brigitte Knopf, die Vorsitzende des Expertenrats die Bundesregierung zwei Tage vor Beginn der Weltklimakonferenz in Ägypten [3]. Sie und ihre Kollegen sehen die größte Notwendigkeit zu Reformen im Industrie- und Verkehrssektor, doch besonders in diesen beiden Punkten verweilt die Regierung untätig. Und das seit Jahren. Schon 2020 prangerte Dr. Nadine Mengis, Wissenschaftlerin am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, diesen Fakt an. „Seit 5 Jahren ist klar, wir müssen handeln! Seit 5 Jahren steigen die globalen Emissionen Jahr für Jahr weiter an“, empörte sich die Forscherin und kündigte an, dass in den nächsten 5 Jahren endlich Versprochenes ernsthaft umgesetzt werden müsse, nämlich: „Globaler, fairer und nachhaltiger Klimaschutz.” [4]. Jetzt, zwei Jahre später, steht es nur leider nicht besser um uns.

Grafik: Prognose zur Entwicklung des CO2 Auststoßes in Deutschland
Quelle: Volker Quaschning, „Kohlendioxidemissionen in Deutschland“, 01/2020

Alarm Nr. 2: Unsere Experten

Grafik: MDR WISSEN Quelle : Earth Commission, PIK, SRC, Exeter University, 09/2022

Auch Wissenschaftler:innen, welche eigentlich einer gewissen professionellen Neutralität unterliegen, werden immer unruhiger. In den Fokus ihres Protests rücken dabei die sogenannten Kipppunkte. Diese Prozesse, 16 an der Zahl, könnten uns, mal ganz salopp gesagt, den letzten Rest geben. Die Forschung unterscheidet zwischen Kipppunkten mit unumkehrbaren Folgen in Systemen, die die gesamte Welt betreffen (neun Stück), und solchen mit gravierenden regionalen Auswirkungen (sieben Stück) [5]. Das große Problem: Wenn diese Veränderungen erst einmal begonnen haben, könnten wir noch so viele Emissionen sparen, wie wir wollen, wir könnten jeden Tag mit dem Fahrrad zum Einkaufen fahren oder vegane Burger essen, es wäre ab dem Punkt einfach viel, viel schwieriger, etwas ernsthaft zu verändern.

Alarm Nr. 3: Unsere Erde

Grafik: Auswirkungen des Klimawandels in Europa Quelle: Bericht der Europäischen Umweltagentur, „Klimawandel, Auswirkungen und Anfälligkeit in Europa 2016“

Das Konzept klingt jetzt noch relativ abstrakt, deshalb schauen wir uns einen dieser Kippunkte mal zusammen genauer an. Zum Beispiel das Schmelzen des west -antarktischen Eisschilds. Anzeichen für die Destabilisierung des arktischen Meereises gibt es laut dem englischen Biosphären-Forscher David Armstrong McKay jetzt schon. Das anfängliches Schmelzen des Meereises durch den menschengemachten Klimawandel legt Meerwasser frei. Wasser absorbiert und speichert Sonnenlicht besser als das helle Eis, das teilweise Wärme zurückreflektiert. Dadurch erwärmt sich das Wasser ohne jeglichen menschlichen Einfluss weiter und die Erwärmung wiederum verstärkt die Eisschmelze [6]. Bei dem Prozess handelt es sich also um einen Teufelskreis. Der Rückgang des Eises hat aber noch andere Effekte als dieses feedback loop. Die Bewohner der Polkappen wie z.B. Eisbären und Robben verlieren nämlich ihr Zuhause.

Das einstige Eis, jetzt in flüssigem Zustand Wasser, trägt natürlich auch erheblich zum Anstieg des Meeresspiegel bei. Inselgruppen verschwinden, Häuser werden überflutet und unser jetzt schon begrenzter Lebensraum schrumpft um uns zusammen. Das sind die Konsequenzen nur eines einzigen Kippunktes. Fünf von ihnen könnten schon bei unseren jetzigen Temperaturen ausgelöst werden.

Alarm Nr. 4: Unsere Jugend

Seit dem 20. Agust 2018 gehen Schüler:innen freitags auf die Straße, um Klimagerechtigkeit einzufordern. Doch bis jetzt wurden die Weckrufe von der Regierung nicht ausreichend wahrgenommen. Aktivismus von Jugendlichen wurde belächelt und beglückwünscht, und oftmals nicht ernst genommen. Politik den Profis überlassen, meinte Christian Lindner 2019 den Fridays for Future Demonstant:innen gegenüber [7].Den Dornröschenschlaf zu beenden, die Regierung und jeden von uns aufzuwecken, das haben sich Aktivisti auf der ganzen Welt durch bewusstes Stören im Alltag zur Aufgabe gemacht. In Deutschland sind die größtem Störenfriede gerade die Aktivisti der letzten Generation. Am Mittwoch besuchte mein Deutschkurs das Theaterstück „Recht auf Jugend“, an dem auch drei Aktivisti mitwirkten. Eine weitere Methode Aufmerksamkeit zu generieren, sagen sie, eine durchaus weniger kontroverse als ihre Straßenaktionen. Dennoch beharrt die letzte Generation auf die Straßenblockaden, stellt den Verkehr in Berlin nun täglich auf den Kopf. Ihre Forderungen beeinhalten ein sofortiges Tempolimit von 100 km/h auf deutschen Autobahnen sowie erschwinglichen ÖPNV für alle.

Wie viele Alarme müssen noch losgehen, bis wir uns für immer von der Schlummerfunktion verabschieden? Je mehr Menschen sich für Klimagerechtigkeit aussprechen, desto weniger kann man unsere Forderungen überhören. Auch wenn sich Wissenschaftler nicht einig sind wie viel Zeit uns genau bleibt, ob es nun 2-3 Jahre oder 7-8 Jahre sind, eins ist sicher: wir haben schon Jahre damit vertrödelt, immer wieder die Augen vor dieser Krise zu verschließen, die Gefahr, dass wir es weiterhin tun, ist groß. Wenn wir jetzt ernsthaft handeln, dann haben wir die Chance, nicht nur das Klima, sondern uns selbst zu retten. Hilf uns, mehr metaphorische Türen einzutreten, denn die Schwelle zum Aktivismus ist gar nicht so groß, wie man denkt. Teil dein Wissen oder diesen Artikel mit anderen!

Na Neugierig?

Wer ist die letzte Generation?

Die letzte Generation ist ein Aktionsbündnis, das den zivilen Ungehorsam als Mittel für Klimagerechtigkeit entdeckt hat. Es entwickelte sich aus dem Hungerstreik vor der letzten Bundeskanzlerwahl. 2021 verweigerten mehrere junge Menschen in Berlin, Bonn und Hannover die Nahrungsaufnahme, um ein Gespräch mit den drei Kanzlerkandidat:innen zu erzwingen. Nach 27 Tagen, nachdem eine Aktivistin aus gesundheitlichen Problemen schon aussteigen musste, erklärte sich Olaf Scholz bereit zu einem Gespräch – allerdings erst nach der Wahl. In dem Gespräch wurde, der letzten Generation zufolge, vergeblich versucht zu vermitteln, wie dringend das Anliegen der Klimagerechtigkeit sei. Seitdem generiert die steigende Anzahl an Aktivisti immer mehr mediale Aufmerksamkeit durch Klebeaktionen und Suppen-Attacken auf historische Gemälde. Sie wollen aktiv im Alltag stören, bis ihren Forderungen nachgegeben wird.

Zur Website: https://letztegeneration.de/

Wer sind Scientist Rebellion?

Scientist Rebellion ist ein Netzwerk von etwa 1000 Wissenschaftler:innen in rund 30 Ländern, das seit 2020 besteht. Auch sie fordern sofortige Maßnahmen zur Schadensbegrenzung in der Klimakrise und protestieren mit zivilem Ungehorsam.
Im Oktober 2022 veröffentlichte die Gruppe einen Brief, in dem sie ihre globalen Forderungen formulierten. Die Wissenschaftler:innen sehen es als unvertretbar an, weiterhin jede Katastrophe und jeden Systemkollaps zu erforschen, wenn daraus nicht gelernt wird.
In Deutschland fordert auch diese Gruppe ein Tempolimit und ein 9-Euro-Ticket für jeden.

Zur Website: https://scientistrebellion.com/

Quellen

Diese KATASTROPHEN geschahen schon:

https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/who-hitzetote-europa-2022-100.html [1]

https://www.daswetter.com/nachrichten/aktuelles/die-5-verheerendsten-klimakatastrophen-des-jahres-2021-.html [2]

So steht es um das PARISER ABKOMMEN:

https://www.welt.de/politik/deutschland/article241955065/Klimawandel-Mit-einem-Weiter-so-werden-wir-die-Klimaziele-fuer-2030-nicht-erreichen.html [3]

https://www.helmholtz-klima.de/aktuelles/5-jahre-pariser-klimaabkommen-wo-stehen-wir-heute [4]

Mehr zu KIPPPUNKTEN:

https://www.mdr.de/wissen/klima-kipppunkte-schneller-erreicht-unumkehrbar-100.html [5]

https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/kipp-punkte-im-klimasystem [6]

LINDNER über FFF:

https://twitter.com/c_lindner/status/1104683096107114497 [7]

Ausblick in die ZUKUNFT:

https://scilogs.spektrum.de/oeko-logisch/16-ma-nahmen-stoppen-den-klimawandel-bis-2030/

Geschrieben von Maria Nil Hauser

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